Lesezeit: 9 Minuten | aktualisiert: 24.09.2022
Visuelle Notizen sind handschriftliche Aufzeichnungen, die landkartenartig strukturiert sind und das Wichtigste auf den Punkt bringen.
Eine andere Bezeichnung für visuelle Notizen sind Sketchnotes. Nach über 15 Jahren als „Sketchnoterin“ und vier Jahren als „Sketchnote“-Trainierin habe ich mich bewusst dafür entschieden, statt Sketchnote lieber visuelle Notiz zu sagen.
Was sind also visuelle Notizen genau?
1. Visuelle Notizen sind keine Zeichnungen, sondern Notizen
Das häufigste Missverständnis, das mir begegnet, klingt in etwa so: „Ach, visuelle Notizen? Dafür muss man zeichnen können, das ist nix für mich.“
Ääähm… nein. Visuelle Notizen haben mit Zeichnungen nichts zu tun, und genau deswegen brauchst du überhaupt kein zeichnerisches Talent dafür. Was du können musst, ist schreiben.
Denn visuelle Notizen sind Notizen. Ziemlich effektive und effiziente Notizen sogar. Und meiner Meinung nach zu schade für ein »kreatives Hobby«, denn du kannst beruflich mit ihnen viel für dich bewirken. Richtig eingesetzt können sie dich bei der Arbeit entlasten, dich auf neue Ideen bringen und dir jede Menge Zeit sparen.
Lass mich also festhalten:
Visuelle Notizen sind keine Zeichnungen, sie dienen nicht zur Dekoration. Du machst sie nicht, um sie eingerahmt an die Wand zu hängen. Obwohl es auf Instagram manchmal so aussieht. 😉
2. Visuelle Notizen müssen keine einzige Zeichnung enthalten.
Wie bei jeder anderen Notiz steht auch bei visuellen Notizen der Inhalt im Fokus.
Deine eigene Handschrift ist deshalb das wichtigste Element deiner Notizen. Visuelle Notizen funktionieren wunderbar ohne Bilder und Symbole, ohne Text wird es aber schwierig – denn wie sonst solltest du Informationen kurz und prägnant festhalten können?
Viele meiner visuellen Notizen enthalten keine einzige Zeichnung, sind aber visuell strukturiert. Die Struktur ist eigentlich das ganze Geheimnis. 😉
Ich finde mich deswegen schnell in meinen Notizen zurecht, weil ich die Prioritäten auf einen Blick erkennen kann. Das kann ich wunderbar auch nur mit Schrift, ein paar Linien und etwas Farbe bewirken, wenn ich weiß, wie es geht.
Trotzdem spricht nichts dagegen, auch Symbole und sehr einfache, reduzierte Zeichnungen zu verwenden. Dann aber gezielt: Nur für die allerwichtigsten Aspekte in der Notiz und in sinnvoller Kombination mit dem Text.
Bilder (und insbesondere Bild-Wort-Kombinationen) helfen dir dabei, dir Inhalte besser zu merken und sie länger zu behalten. Relevante Forschung dazu findet sich in der Dual Coding Theory, der Kognitiven Theorie des multimedialen Lernens und dem daraus abgeleitete Picture Superiority Effect.
3. Visuelle Notizen haben eine visuelle Struktur.
Visuelle Notizen sind landkartenartig aufgebaut. Das macht sie – im wahrsten Sinne des Wortes – übersichtlich. Anders als bei einer linearen Notiz (z. B. einer To-Do-Liste) schreibst du Inhalte nicht einfach hinter- oder untereinander, sondern dorthin, wo es sinnvoll ist.
Normalerweise lesen wir im Deutschen von links nach rechts und von oben nach unten. Und wir bekommen beigebracht, auch so zu schreiben. Das ist eine rein lineare Struktur, und die ist in vielen Zusammenhängen auch sinnvoll. Zum Beispiel, wenn man einen Aufsatz oder einen Bericht schreibt. Dann gibt uns diese Struktur Orientierung, denn wir wissen genau, wo es im Text weitergeht.
Es gibt aber Situationen, in denen die lineare Struktur im Weg ist. Zum Beispiel, wenn du einen Aufsatz oder einen Bericht planst. Wenn noch nicht feststeht, was alles Inhalten du aufnehmen wirst und in welcher Reihenfolge, dann hilft es, eine flexiblere Struktur zu nutzen. Eine, die sich organisch entwickeln darf.
Dasselbe gilt auch für Besprechungsnotizen. Manchmal springen Menschen beim Sprechen zwischen verschiedenen Themen hin und her, selbst wenn es eine feste Agenda (=lineare Struktur) gibt. Und dann hilft es, wenn du deinen Notizen von vornherein eine flexiblere Struktur und den einzelnen Themen genügend Raum gönnst. So kannst du auch nachträglich noch Punkte dort ergänzen, wo sie inhaltlich hingehören.
Visuelle Notizen sind von ihrer Struktur her also eher Gedanken- oder Themen-Landkarten (und selten Auflistungen).
4. Visuelle Notizen nutzen die gesamte Fläche eines Blattes.
Punkte, die inhaltlich zusammengehören, stehen näher beieinander. Punkte, die nichts miteinander zu tun haben, sind auch räumlich weiter voneinander entfernt. So wie früher bei der Grüppchenbildung auf dem Schulhof. 😉
Ein Beispiel für eine visuell strukturierte Notiz ist die Mindmap.
Das Schöne ist: Du musst nicht vorher schon wissen, wo der „richtige“ Platz für einen Inhalt ist, weil sich das organisch beim Aufschreiben ergibt.
Mit einer visuellen Struktur kannst du Zusammenhänge leichter darstellen bzw. erkennen. Auf einen Blick ist sichtbar, wie sich die Inhalte zueinander verhalten: Gehören einzelne Punkte zu einer gemeinsamen Kategorie? Beeinflussen bestimmte Aspekte einander? Ist eine bestimmte Abfolge wichtig? Welche sind Gegensätze gibt es?
Der Inhalt bestimmt auch die Form, also die Blattaufteilung der Notiz. Wenn ein (zeitlicher) Ablauf im Mittelpunkt steht, ist eine andere Struktur zweckmäßig, als wenn es um die Zuordnung zu bestimmten Kategorien geht.
5. Visuelle Notizen sind inhaltlich fokussiert und auf das Wesentliche reduziert.
Visuelle Notizen enthalten selten ganze Sätze. Üblicherweise ist der Text schlagwortartig oder im Telegrammstil gehalten, und die einzelnen Punkte sind oft kompakte Textblöcke mit kurzen Zeilen. Damit erleichterst du es dir, Informationen schnell wiederzufinden. Kurze Textblöcke erfassen wir beim Überfliegen als Ganzes, in lange Zeilen muss man tatsächlich erst reinlesen.
6. Visuelle Notizen sind handschriftlich.
Das ist der einfachste, schnellste und ablenkungsfreieste Weg, Text visuell strukturiert anzuordnen. Und das Schreiben mit der Hand hat außerdem viele Vorteile für die Merkfähigkeit.
Ob du dabei lieber analog mit Stift und Papier arbeitest oder digital mit Pen und Tablet, ist dabei nicht so entscheidend. Beides hat Vor- und Nachteile.
In digital erstellten Notizen kannst du Dinge leichter korrigieren, löschen, verschieben oder in der Größe verändern. Das ist praktisch, birgt aber auch die Gefahr, sich in den Details der Bearbeitung zu verlieren.
Analoge Notizen sind oft schneller gemacht, denn ein leeres Blatt Papier bietet weniger Ablenkung als eine digitale Oberfläche mit unzähligen Schaltflächen. Und auch der vermeintliche Nachteil, Dinge nicht so leicht korrigieren zu können, kann manchmal ein Vorteil sein. Zumindest bei mir ist das so. Ich stelle fest, dass ich mir beim analogen Schreiben schneller klar über die Inhalte bin und mich später an mehr erinnere.
Vielleicht liegt es daran: Digital kann ich meine Gedanken nach dem Aufschreiben auf der virtuellen Oberfläche beliebig verschieben, analog ordne ich sie schon im Kopf.
7. Visuelle Notizen sind primär für dich selbst.
Du musst sie niemandem zeigen – genauso wenig wie andere Notizen auch. Nur weil sie durch ihre nichtlineare Struktur anders aussehen (und vielleicht mehr Farbe oder Symbole enthalten, als „übliche“ lineare Notizen), heißt das noch lange nicht, dass du anderen Menschen erlauben musst, dir beim Schreiben aufs Blatt zu starren oder das Aussehen deiner Notiz zu kommentieren oder sie gar zu beurteilen.
8. Visuelle Notizen können aus mehreren Seiten bestehen.
Manchmal frage ich mich, woher die Annahme kommt, die visuelle Notiz zu einer zweistündigen Besprechung müsste auf ein einzelnes DIN A4-Blatt passen. Bei einer linearen Notiz verlangen wir das doch auch nicht von uns selbst.
Also: Niemand zwingt dich, alles auf ein einzelnes Blatt zu quetschen. Auch wenn dir die Bilder im Internet vielleicht etwas Anderes vorgaukeln.
Visuelle Notizen aus Besprechungen oder Weiterbildungen bestehen bei mir regelmäßig aus mehreren Seiten. Wenn du mehr Platz brauchst, dann brauchst du mehr Platz. So einfach ist das.
Klar ist es manchmal von Vorteil, alles auf einem Blatt zu haben – nämlich wenn es um grundsätzliche Übersichten geht. Also etwa um einen Tagesplan, die Kapitelübersicht eines Fachbuchs oder eine grobe Seminarkonzeption.
Die detaillierten Inhalte hingegen brauchen nicht in die Gesamtübersicht. Es ist einfacher, für einzelne Aspekte aus der Gesamtübersicht wiederum eine eigene visuelle Notiz als Übersicht anzulegen.
Dann bleiben die Übersichten auch übersichtlich. 😉
Wie sind deine Erfahrungen mit visuellen Notizen? Nutzt du sie im Alltag regelmäßig – und wenn ja: wofür? Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen! Ich freue mich auf deine Nachricht! ⇓⇓⇓
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