Fühlst du dich
Talentfrei?
Warum dich der Begriff „Sketchnote“ davon abhält, mit Sketchnotes loszulegen.
Lesezeit: 9 Minuten | aktualisiert: 14.05.2020
(Du bist in Eile? Am Ende des Artikels findest du die Essenz in 10 Sekunden.)
Was ist deine größte Hürde, um mit Sketchnotes zu starten?
Wenn du jetzt sagst: „Ich kann nicht (gut genug) zeichnen“, bist du in allerbester Gesellschaft.
Leider.
Denn oft verzichten genau die Menschen, die am meisten von Sketchnotes profitieren können, auf dieses mächtige Werkzeug. Wegen eines Missverständnisses. Die Assoziationskette geht dabei meistens so:
Allein das Wort Sketchnote rückt das Zeichnen so sehr in den Vordergrund der Wahrnehmung, dass es alles andere verdrängt.
Sketch impliziert offenbar, dass man irgendwie „begabt“ sein sollte, am besten künstlerisches Talent hat und gut zeichnen können muss.
Wie du diese Hürde überwindest und funktionale Sketchnotes ganz ohne Zeichnungen für deinen Alltag nutzen kannst, erfährst du in diesem Artikel.
Sketchnotes haben mit Zeichnen nicht viel zu tun
Tatsächlich wird bei Sketchnotes das Zeichnen überbewertet.
Meiner Erfahrung nach machen „bildhafte Elemente“ in Sketchnotes nur 5 bis 10 Prozent aus. Mehr nicht. Das heißt, eine Sketchnote besteht oft fast nur aus Elementen, die nichts mit Zeichnen zu tun haben.
Man kann Sketchnotes auch komplett ohne Bilder erstellen – und ja, es sind dann immer noch Sketchnotes!
Das visuelle an Sketchnotes sind nämlich nicht die Bilder, sondern die Struktur. Text ist ein ganz wesentliches Element – wie in „gewöhnlichen“ Notizen auch. Der Unterschied zu anderen Notizen ist die Anordnung der Textteile zueinander.
Sind Sketchnotes überhaupt etwas für dich?
Aber woher weißt du überhaupt, ob du Sketchnotes sinnvoll verwenden kannst? Bisher ging es doch auch ohne! Und eigentlich hast du gar nicht so viel Zeit, dich zusätzlich auch noch damit zu beschäftigen…
Verpasst du wirklich etwas, wenn du Sketchnotes nicht nutzt?
Kommt darauf an.
- Arbeitest du in einem Umfeld, in dem du regelmäßig mit einer Vielzahl von Informationen umgehen musst?
- Eignest du dir kontinuierlich neues Wissen an, vielleicht aus Fachbüchern oder Fachzeitschriften?
- Besuchst du Vorlesungen, Fachtagungen, Konferenzen?
- Hältst du Vorträge, organisierst Seminare oder Schulungen, bildest dich gerade selbst weiter?
- Gehört es zu deinen Aufgaben, komplexe Sachverhalte möglichst verständlich an deine Kollegen oder deine Chefin zu vermitteln?
- Arbeitest du mit Kundinnen oder Klienten, die weniger Spezialwissen haben als du? Und die erst dann ins Handeln kommen, wenn du ihnen möglichst einfach verständlich machst, warum sie etwas tun sollen?
- Denkst du in Abläufen, Prozessen, Konzepten und Strategien?
Hast du irgendeine dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet? Dann kannst du Sketchnotes sehr gut nutzen.
Fast alle Aufgaben, in denen du etwas dokumentierst, planst, analysierst, entwickelst oder erkundest, sind dafür geeignet, mit Sketchnotes bearbeitet zu werden.
Visuelle Notizen vs. Sketchnotes
Damit dich in Zukunft so ein einzelnes Wort nicht mehr ausbremsen kann, Sketchnotes als sinnvolles, ernstzunehmendes Arbeitswerkzeug zu nutzen, lade ich dich zu einem Gedankenexperiment ein:
Ich nenne Sketchnotes im Weiteren einfach mal konsequent anders:
Visuelle Notizen.
Und du schaust, was das mit deiner Wahrnehmung macht.
Halte einen kurzen Moment inne und lass den Begriff gedanklich nachklingen: Visuelle Notizen. (Ja genau, auch im Englischen firmieren „ernsthafte“, also funktionale Sketchnotes im beruflichen Kontext als visual notes.)
- Was verändert sich in deiner Wahrnehmung dadurch?
- Wie ist deine Assoziationskette jetzt?
- Verschiebt sich die Betonung in deinem Kopf auf „Notizen“ und „visuell“ wird eher zum Nebenaspekt? Ein Nebenaspekt, der vielleicht gar nicht mehr so einschüchternd/wichtig wirkt?
Der Ausdruck „visuelle Notizen“ beschreibt meiner Meinung nach viel treffender, was Sketchnotes eigentlich sind, nämlich 1.) Notizen, die 2.) eine visuelle Komponente in sich tragen.
Und wie gesagt, das Visuelle sind nicht die Bilder, sondern die Struktur:
Warum ist eine visuelle Struktur besser?
Der Vorteil von visuellen Notizen ist, dass inhaltliche Zusammenhänge besser erkennbar sind (bestenfalls tatsächlich auf einen Blick). Durch die intuitive Struktur wird es für dich leichter, Inhalte zu erfassen, sie zu verstehen und sie dir dadurch auch langfristig besser zu merken.
Warum ist das so?
Das Schreiben mit Buchstaben und die (lineare) Schriftsprache sind evolutionär gesehen eine ziemlich neue Entwicklung. Üblicherweise folgen Texte, insbesondere Fließtexte, einer linearen Struktur. So wie dieser Text hier auch. Du liest ihn von links nach rechts und von oben nach unten.
Aber Sprache ist mehr als das Aneinanderreihen von Buchstaben. Sprache ist das Denken in Mustern und Zusammenhängen.
Die Hirnareale, die für das Gedächtnis zuständig sind, sind auch dafür zuständig, eine räumliche Kartierung anzufertigen. Sie merken sich also nicht nur, was du aufschreibst (oder liest), sondern Sie merken sich auch, wo etwas steht.
Deswegen ist es auch sinnvoller, wenn du für deine Notizen analoge Materialien wie Stift und Papier verwendest, statt zum Beispiel ein Tablet.
Zum einen kannst du Text – anders als bei digitalen Werkzeugen – nicht so einfach hin und herschieben oder löschen. Zum anderen hilft dir auch die räumliche Begrenzung des Papiers. Ein Blatt hat nur eine bestimmte Größe und Ausrichtung.
Du musst dich also bewusst dafür entscheiden, wo du welche Inhalte platzierst. Wenn das Wichtigste in der Mitte stehen soll, dann ist dir das vor deinem inneren Auge schon klar, bevor du es aufs Papier setzt. Du planst bevor du tust (und zwar innerhalb weniger Sekunden) und aktivierst damit schon die räumliche Kartierung in deinem Gehirn – und gleichzeitig auch dein Gedächtnis.
Mit einer visuellen Notiz baust du sofort ein räumliches Konstrukt auf, du verortest die Inhalte im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Papier. Und das ermöglicht es dir, die Zusammenhänge später sehr schnell wieder zu rekapitulieren und dich an die Inhalte zu erinnern.
[Wenn du mehr dazu wissen möchtest, empfehle ich dir das Buch „Lernen braucht Verstehen“ von Henning Beck – kannst du in den meisten Stadtbibliotheken ausleihen, oder du bestellst es über deine lokale Buchhandlung.]
Die lineare Struktur aufbrechen
Bei linear angelegten Notizen bleiben inhaltliche Zusammenhänge zwischen den Abschnitten optisch unsichtbar – außer, du machst mit deinen Texten das hier:
Und genau das ist schon der erste Schritt in Richtung visueller Notiz. Du identifizierst die Kernaussagen aus einer größeren Menge von Informationen. (Kernaussagen sind die Informationen, die für dich jetzt gerade relevant sind.) Du markierst sie und setzt sie durch Linien oder Pfeile optisch zueinander in Beziehung.
Für deine visuelle Notiz ist entscheidend ist, dass du die lineare Struktur aufbrichst.
Schreibe die Kernaussagen am besten blockartig auf. Wo auf dem Blatt du anfängst, ist dabei fast egal. Wichtiger ist, dass Dinge, die inhaltlich miteinander zu tun haben, näher zusammenstehen, und Dinge, die nicht miteinander verwandt sind, auf dem Blatt weiter voneinander entfernt sind. Wenn du etwas Platz zwischen den Blöcken lässt, kannst du die Zusammenhänge anschließend bequem mit Verbindungslinien oder Pfeilen sichtbar machen.
Du brauchst keine Zeichnungen
Für diesen Prozess brauchst du keinerlei Zeichentalent, denn du musst nichts zeichnen. Außer du möchtest.
Das, was visuelle Notizen für dein Gehirn und deine Merkfähigkeit so hilfreich macht, sind
der bewusste, aufmerksame Umgang mit Informationen („Was sind die Kernaussagen?“) und
die sinnvolle, logische Anordnung dieser Kernaussagen zu einen „Schau-Bild“ (selbst, wenn das „Bild“ nur Textblöcke enthält).
Bilder und Symbole sind keine Dekoration
Die Beispiele von visuellen Notizen in diesem Beitrag kommen mit sehr, sehr wenigen Bildern aus.
Das ist überhaupt der Schlüssel zu visuellen Notizen: Halte es einfach. Je weniger Firlefanz 😉 dir im Weg steht, desto leichter und schneller kommst du ins Tun und profitierst sofort davon in deinem Alltag.
Du kannst auf Bilder komplett verzichten oder einfache Bilder und Symbole nutzen, wenn du möchtest. Setze sie dann aber bewusst als optische Anker ein. Optische Anker sind niemals Dekoration, sondern bringen dir immer einen Mehrwert. Sie helfen dir, dich auf dem Blatt und in deiner Notiz zu orientieren. Sie erfüllen also eine Funktion. Wie Straßenschilder.
Wenige und gezielte Bildsymbole sind dabei hilfreicher als eine überbordende Fülle, die aussieht wie ein Wimmelbild und eher verwirrt als Klarheit schafft.
Und wie bei Straßenschildern gilt: Je einfacher die Darstellung ist, desto besser erkennbar ist ihre Funktion.
Du siehst: Auch hierfür brauchst du kein Zeichentalent. Wenn du dir zutraust, ein Dreieck um ein Ausrufezeichen zu malen, kannst du loslegen.
DIE ESSENZ in 10 Sekunden
Du profitierst von Sketchnotes, wenn dein Gehirn dein wichtigstes Arbeitswerkzeug ist.
Sketchnotes haben mit Zeichnen nicht viel zu tun.
Streiche das Wort „Sketchnotes“ fürs Erste aus deinem Wortschatz,
benutze konsequent „visuelle Notiz“.
Das Visuelle sind nicht die Zeichnungen, sondern die Struktur.
Dein Gehirn liebt sichtbare Zusammenhänge und Muster, so merkt es sich Inhalte besser.
Mach es übersichtlich: Brich die lineare Struktur deiner Notizen auf.
Verwende Bilder nur als visuelle Anker – oder verzichte ganz auf sie.
Und jetzt schnapp dir ein Blatt Papier, den nächstbesten Stift und leg los!
Ich weiß, du kannst das! 🙂
Du brauchst noch ein bisschen mehr Anleitung? Dann lade dir meine kostenlose Sketchnote-Starthilfe herunter:
Darin findest du nur die absolut notwendigen Elemente für visuelle Notizen. Für dich vorgefiltert und ausgewählt, damit du sofort starten kannst. Inklusive Vorlage für deinen persönlichen Spickzettel.
Ich wünsche dir viel Spaß damit!
P. S.: Hast du für deine nächste visuelle Notiz alles, was du brauchst? Oder drückt akut irgendwo der Schuh?
Keine Scheu – lass mich wissen, wie ich dich bei deinen nächsten Schritten unterstützen kann und hinterlasse gerne einen Kommentar. Ich freue mich auf deine Nachricht!
Vielen Dank für diesen Artikel. Ich habe mich direkt angesprochen gefühlt, weil ich mir jegliches zeichnerische Talent aberkenne. Ich finde Deine Ausführungen total spannend, weil mich Deine Beispiele sowohl beruflich, wie auch hinsichtlich einer Fortbildung betreffen und ich werde Deinen Artikel bestimmt noch öfter aufrufen und mich nochmal neu versuchen.
LG
Daggi
Danke für deine schöne Rückmeldung, Daggi! Freut mich sehr, dass dir der Artikel weiterhilft.
Also ran Stift und Papier und viel Spaß dabei! 🙂
…und wenn du mal eine Sketchnote hast, die du teilen möchtest, wäre ich gespannt sie zu sehen!
LG
Viktoria
Du hast genau mein Problem angesprochen. Danke dafür!
LG
Sabiene
Gern geschehen, Sabiene!
LG
Viktoria
Liebe Viktoria,
wenn man das so sieht, dann habe ich schon immer Sketchnotes hinterlassen. Das ist ja spannend. Danke für deine Aufklärung – das hat mir gerade eine neue Welt eröffnet, die ich noch mehr entdecken werde.
Viele Grüße aus Südfrankreich
Liebe Viktoria, seit gefühlten 3 Stunden sitze ich gebannt vorm Bildschirm und lese mich durch deine Artikel. Ich finde deinen Ansatz, das Wort Sketchnote durch visuelle Notiz zu ersetzen, sehr spannend. Wenn man den Sketchnotes-Visualsisierungs-Markt besonders in den deutschsprachigen Ländern ein bisschen im Auge hat, kommt man – so wie du – auch zu der Erkenntnis, dass Sketchnotes inzwischen etwas sind, was an Schärfe verloren, aber an Schwammigkeit und Inflation zugenommen hat. Und ich fühle mich gerade absolut bestätigt: Wenn ich meine Sketchnotes ansehe, dann merke ich, dass der Text und die Struktur absolut im Vordergrund stehen, schon allein deshalb, weil ich bei einem Meeting oder einem Vortrag nicht so schnell zeichnen kann. Und mir auch oft nichts Passendes einfällt. Dann schon lieber einen Rahmen um den Textblock oder einen schönen Pfeil in die richtige Richtung – und gut ist es. Also habe ich ab sofort kein schlechtes Gewissen mehr, wenn meine Sketchnotes textlastig sind (und der Druck ist weg, auf Teufel komm raus etwas Supertolles zeichnen zu müssen).
Was ich noch fragen wollte: Deine Sketchnote-Starthilfe hätte ich gerne heruntergeladen, leider ist die Seite nicht mehr verfügbar. Hast du sie ganz aus deinem Angebot gestrichen?
Liebe Grüße aus Österreich
Waltraud
Liebe Waltraud,
danke, dass du deine Gedanken und Erfahrungen hier teilst (und so viele Artikel gelesen hast)! Ich finde es ganz wunderbar, wenn der Druck bei dir weg ist und ich dich ein kleines bisschen darin bestärken konnte, einfach deinen eigenen Weg mit visuellen Notizen weiterzugehen. Solange deine Notizen für DICH nützlich sind, sind sie genau richtig. Völlig egal, ob sie bildhafte Zeichen enthalten oder nicht.
Die Sketchnote-Starthilfe habe ich aktuell aus dem Downloadangebot herausgenommen, ich sende sie dir aber gerne per Mail zu.
Liebe Grüße nach Österreich!
Viktoria