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Waaaas? Schon wieder ein Monat rum? Aber nicht nur das, auch das erste Halbjahr 2021 ist vorbei. Eigentlich Bergfest! Nur nach feiern war mir diesen Monat nicht zu Mute. Mit dem Halbjahresumbruch bricht auch bei mir einiges um. Zeit für einen Blick zurück und zwei nach vorne. Was passiert, wenn man es übertreibt und nicht ausreichend auf die eigenen Energiereserven achtet? Und wie lassen sie sich wieder auffüllen?
Müde und erschöpft
Die ersten beiden Juni-Wochen hing ich sprichwörtlich in den Seilen. Als wäre ich ein träge dahindümpelnder Luftballon, dem gaaaanz laaaaaaangsam die Luft ausgeht. Als ob irgendwo in der Außenhaut ein kleines Löchlein ist, aber es ist schon nicht mehr genug Druck im Ballon, um mich beim Stich zum Platzen zu bringen oder um wenigstens mit einem geräuschvollen »pfffffffffffffffffffffff« durch die Gegend zu titschen.
Alles war… zu viel. Ich hatte keinen Antrieb mehr, habe den Laptop nur aufgemacht, wenn ich musste, und mich dann auch sofort von jeder noch so kleinen Aufgabe überfordert gefühlt. Ich weiß, die meisten von uns kennen diese Gefühle. Einfach keine Energie mehr zu haben, keine Freude mehr an dem, was sonst leichtfällt und Spaß macht, und dann die Frage, die leise aus dem Hinterkopf hervorkriecht:
„Wozu mache ich das eigentlich alles?“
Bei mir fiel es zeitlich zusammen mit der Corona-Impfung. Ich könnte es jetzt auf die Nebenwirkungen der Impfung schieben (Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen und der dringende Wunsch, für immer im Bett liegen zu bleiben) und mir einreden, alles andere wäre töffte, das wäre aber gelogen. Der äußere Anlass – die Impfung und ihre Nebenwirkungen – war lediglich der Auslöser, aber nicht der Grund für die mentale Abgeschlagenheit. Daher: Impfen lassen würde ich mich immer wieder.
Was mich nachdenklich macht, ist, dass ich die körperlichen Symptome gebraucht habe, um mir Ruhe zu erlauben. (Ja: „erlauben“.) Sich mental ausgebrannt zu fühlen reichte offenbar nicht. Danke also für diesen Körper, der mir, der disziplinierten Perfektionistin, die Erlaubnis gegeben hat, mich gepflegt in ein Loch fallen zu lassen und da erst mal eine Weile zu bleiben und … Pause zu machen.
Was gut ging: Halbe Tage einfach nur aus dem Fenster gucken (ich bin dankbar, dass ich dabei in eine grüne Baumkrone schauen kann) – scheinbar grundlos in Tränen ausbrechen – es tagelang nicht vor die Tür schaffen, obwohl es die schönsten Sommertage sind, die geradezu dazu einladen, sich mit einem Buch unter die Linde im Park zu legen – sich wie eine Versagerin fühlen.
Was nicht ging: Unter Menschen gehen – einkaufen – längere Telefonate führen – empathisch sein – Blogartikel schreiben – mein neues Online-Programm zum geplanten Datum veröffentlichen.
Nun bin ich familiär vorbelastet und beobachte mich in solchen Phasen sehr genau. Der Grat zwischen deprimierter Phase und depressiver Phase ist ein schmaler. Wie eine schwere pathologische Depression aussieht, weiß ich, wie sie sich anfühlt, weiß ich zum Glück nicht. Und ich möchte, dass das so bleibt.
Sie ist klein, dennoch habe ich genetisch gesehen eine gewisse Wahrscheinlichkeit zu erkranken. Längere und heftige Stressphasen können da begünstigend wirken. Bin ich einfach „nur“ müde und erschöpft, weil ich viel gearbeitet habe? Oder ist es mehr als das? Wie antriebslos fühle ich mich auf einer Skala von 0 bis 10? Bekomme ich es noch hin, mir selbst etwas zu essen zu machen oder schaffe ich es nicht mehr, mich aus dem Bett zu bewegen?
Achtsamkeit im Alltag und Meditation sollten allein schon aus Vorsorgegründen zu meinen täglichen Routinen gehören. Meistens ist das auch so, aber manchmal fällt mir auch das schwer und gerät aus dem Blick. Anfang Juni ist es mir nicht mehr gelungen. Im Mai eigentlich auch schon nicht mehr. Und im April… naja, lassen wir das.
Was mich vor einem Kurzschluss gerettet hat, war, die Überforderung jetzt endlich wahrzunehmen. Wirklich wahrzunehmen. Termine zu verschieben. Und mich erst einmal zurückzuziehen. Ins Loch fallen zu lassen. Alleine.
Nach und nach haben sich meine Batterien wieder aufgeladen. Mein Blick hat sich geklärt, meine Gedanken auch. Die Freude am Leben und auch die Freude an meiner Arbeit ist wieder zurückgekommen. Mein Glück ist: Mit mir allein sein tut mir gut. Ich mache dann eine Weile einfach nur, was mir gerade möglich ist. In solchen Phasen ist das nicht viel. Mein Wach-Schlaf-Rhythmus verschiebt sich extrem. Und nach und nach komme ich wieder in Kontakt mit meinen eigenen Bedürfnissen. Was dabei sehr hilft, ist meine Familie im Rücken zu wissen. Dass liebende Menschen für mich da sind, auch wenn sie nicht körperlich anwesend sind.
Und doch: Diese Erschöpfungsphase war heftiger als das, was ich sonst so aus den letzten Jahren kenne. Um es nicht nur bei einem diffusen Überforderungsgefühl zu belassen, sondern um in der Lage zu sein, in Zukunft aktiv gegenzusteuern, habe ich mich mal an die Analyse begeben. Gibt es objektive Faktoren, an denen ich frühzeitig ablesen kann, dass es in die falsche Richtung geht?
Arbeitszeit ist so ein Faktor. Ich erfasse meine Arbeitszeit ziemlich genau … und habe jetzt seit langem mal wieder ausgewertet. Für das erste Halbjahr 2021 komme ich auf einen Wochendurchschnitt von etwa 60 Stunden, also anderthalb Vollzeitstellen. Durchgängig. Mit Ausnahme der ersten Januarwoche. Sollte es mich also wundern, dass irgendwann Müdigkeit und Erschöpfung bei mir anklopfen? Nein…? Kann ich vorbeugend etwas dagegen tun? Ja!
Zunächst mal festlegen, was in den nächsten sechs Monaten dran ist – und was nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass ich dem „Was nicht“ gerade besondere Aufmerksamkeit widmen sollte.
Und dann Bilanz ziehen, was ich alles in nur sechs Monaten geschafft habe. Für ein bisschen mehr Realismus und ein bisschen weniger Impostor-Syndrom. Also habe ich als erstes mein Erfolgsmomente-Glas ausgeschüttet. Darin hat sich schon unglaublich viel angesammelt und es tut gut, sich daran zu erinnern, welche Hürden ich in kurzer Zeit schon genommen habe. Und dann habe ich angefangen zu schreiben.
Mein Halbjahresrückblick 2021
Anfang Januar habe ich mich kopfüber in ein neues Abenteuer gestürzt: Innerhalb von acht Wochen einen komplett neuen Online-Kurs konzipieren, auf die Beine stellen und durchführen.
Als Visualisierungstrainerin bin ich schon mehrere Jahre unterwegs, hatte mich aber bisher auf Weiterbildungen in der analogen Welt konzentriert. Das lief sehr gut, die Kurse waren immer ausgebucht, immer mit langer Warteliste. Ich habe mit verschiedenen Bildungseinrichtungen zusammengearbeitet und musste mich um nichts weiter kümmern als um gute Inhalte und zufriedene Teilnehmer:innen. Das kann ich. 😉 Das ist meine Kernkompetenz, das habe ich in meiner Trainerausbildung gelernt und in der Praxis immer weiter ausgebaut.
Nur funktioniert ein Online-Unternehmen komplett anders. In der analogen Welt finden mich meine Kundinnen über die Bildungseinrichtungen. Werbung musste ich für meine Kurse nie machen. In der Online-Welt muss ich aber plötzlich selbst dafür sorgen, gefunden zu werden. Eine Website zu haben reicht da nicht. Und SEO ohne relevante Inhalte, die gefunden werden können, schon mal gar nicht. Also kommt zur eigentlichen Kernkompetenz als Trainerin jetzt noch der ganze Bereich Marketing neu dazu. Mich als Expertin selbst vermarkten? Uääääh… 😬
Wie das geht, musste ich erst lernen – und bin immer noch dabei. Das fühlt sich mitunter sehr mühsam an. Wie interviewt man potentielle Kundinnen, um zu erfahren, was sie wirklich brauchen? Wie testet man, ob ein Kursangebot angenommen wird, ohne viel Zeit zu verlieren? Bis zu welchem Punkt funktioniert Akquise durch persönliche Weiterempfehlung? Ab wann braucht man Facebook Ads, um auch Menschen zu erreichen, die nicht Freunde von Freunden sind? Und wie richtet man Online-Anzeigen so ein, dass sie Resultate bringen und nicht nur hunderte von Euro verbrennen? Auf welche Kennzahlen kommt es an? Muss ich wirklich die Datenkrake Facebook nutzen? Wie geht Werbung, ohne mich zu fühlen wie ein Marktschreier? Wie geht Verkaufen, ohne mich zu fühlen wie ein schleimiger Autoverkäufer?
Was mir dann wieder mehr Spaß macht, ist dann der gesamte Technikbereich. Auch wenn es da immer mal wieder hakt. Wofür brauche ich Tools wie Zapier? Und warum trickst mich ActiveCampaign beim Versenden von Mails immer wieder aus? Wie richte ich eine Kursplattform so ein, dass meine Kundinnen und ich uns wohlfühlen? Meine Lernkurve war ziemlich steil und ist es immer noch.
Seit Januar habe ich zwei Mal online gelauncht, also zwei Zyklen Online-Marketing durchgezogen, um schlussendlich zwei Kurse in die Welt zu bringen: Visuelle Notizen mit Leichtigkeit als berufsbegleitenden 4‑Wochen-Kurs mit über 150 Teilnehmer:innen und jetzt aktuell Präsentiere dein Angebot visuell überzeugend als kompakteres Format. Dafür, dass ich Anfang des Jahres noch keine Ahnung davon hatte, wie das alles gehen soll, eine ziemliche Leistung. Hätte mir das jemand vor 6 Monaten gesagt, ich hätte es für unmöglich gehalten!
Was mich besonders stolz macht, sind die vielen, vielen positiven Rückmeldungen meiner Kursteilnehmerinnen. Das zeigt mir, dass die Online-Angebote inhaltlich mindestens genauso gut funktionieren wie Präsenzkurse. Und dass all das Marketing- und Technikgedöns meine Kernkompetenz als Trainerin nicht überlagert.
Der Kurs Visuelle Notizen mit Leichtigkeit ist super strukturiert und baut einzelne Elemente Schritt für Schritt auf, so dass man direkt ab der ersten Woche Erfolgserlebnisse verbuchen und seine Notizen kontinuierlich verbessern kann.
Viktoria erklärt und motiviert in ihren Videos sehr sympathisch, so dass die Umsetzung der Aufgaben wirklich Spaß macht! Es gibt viele Alltagstipps und vor allem Feedback sowohl von Viktoria als auch von den anderen Teilnehmer:innen. Auf einer Plattform werden Arbeitsergebnisse ausgetauscht, so dass man von der Umsetzung der anderen inspiriert wird. Die Kombination aus Videos bzw. schriftlicher Anleitung, Übungsaufgaben und Videokonferenz ist sehr hilfreich.
Durch den Kurs kann ich meine Notizen ohne aufwendige Nachbereitung nun langfristig weiternutzen und mit Kolleg:innen teilen. Die Investition in den Kurs hat sich für mich absolut gelohnt, da ich nun mit meinen strukturierten Aufzeichnungen besser arbeiten kann. Außerdem macht die Arbeit so tatsächlich mehr Spaß.
Ich empfehle den Kurs auf jeden Fall weiter!
Der Kurs Visuelle Notizen ist sehr gut konzipiert. Viktoria stellt sich durch ihre empathische Art sehr gut auf die Teilnehmenden ein und setzt ihr umfangreiches und fundiertes Wissen zielgerichtet und adressatengerecht ein.
Die Lerneinheiten fand ich klar strukturiert und durch die Videos hatte ich das Gefühl, Viktoria live zu erleben – mit dem Vorteil zurückspulen zu können, Pausen zu machen und zu dem Zeitpunkt zu lernen/üben, der gut in meinen Alltag passt.
Die Lerninhalte konnte ich direkt in meinen Arbeitsalltag integrieren. Falls es gerade keine passende Situation gab, konnte ich auf gut ausgewählte Podcasts zurückgreifen und auch vergleichen, was andere daraus mitgenommen bzw. gemacht haben.
Der Austausch mit den anderen Teilnehmenden fand ich hilfreich und das Teilen der Ergebnisse erweitert die eigene Perspektive. Mit dem Kurs hatte ich kaum bzw. angemessenen zeitlichen Mehraufwand, er hat mir aber sofortigen Mehrwert im Alltag gebracht!
Im Gegensatz zu einer Präsenzveranstaltung konnte ich von den Erkenntnissen sehr vieler verschiedener Teilnehmender profitieren und umgekehrt. Durch die mehrwöchige Laufzeit habe ich mich diszipliniert, die Lerninhalte umzusetzen und täglich auch in kleinen Abschnitten in meine Arbeit einfließen zu lassen. Die Schreibübung nutze ich täglich als Aufwärmübung, um meine Schrift in Richtung “klar und deutlich” zu entwickeln.
Vielen Dank für diesen tollen Kurs!
Mein Ausblick auf das zweite Halbjahr 2021
Notwendig: Es ruhiger angehen lassen. Sehr wahrscheinlich werde ich im Herbst noch einmal einen berufsbegleitenden Kurs anbieten. Welchen der beiden: Visuelle Notizen oder Anschaulich präsentieren? Und wann? Habe ich noch nicht entschieden.
Mein Fokus wird jetzt erst einmal darauf liegen, auszuwerten und auszusortieren und vor allem regelmäßig zu schreiben. Bloggen entspannt mich und hilft mir, über Geschehenes neu zu reflektieren. Ich habe mir einen Wunsch erfüllt und bin jetzt für ein Jahr bei The Content Society dabei. Auf diese Gemeinschaft und all die wundervollen Menschen, die mitmachen, freue ich mich besonders.
Viel Raum wird auch das Herrichten unseres neuen Zuhauses einnehmen. Akut ist das ganze Haus eine Baustelle. Während in einem Raum schon die Wände gestrichen werden müssen, weil bald die Möbel kommen, reißen wir im nächsten gerade erst die Paneele von der Decke. Was ich tatsächlich genieße, ist die körperliche Arbeit und das zufriedene Erschöpftsein am Abend. Und das gemeinsame Feierabendgetränk auf dem Balkon. 😉
Was im Juni 2021 sonst noch so los war
Die feierliche Schlüsselübergabe für unser neues Zuhause, nur noch getoppt vom handgeschriebenen Namensschild an der Haustür. Ich hatte Spaß mit Tauchfeder und Tusche. 😀
Ein Buch zum Thema Regiolekt, das ich gerade mit Genuss lese und empfehlen möchte: Rheinisches Deutsch von Georg Cornelissen. Viele Beispiele und unterhaltsame Erklärungen zum „Hochdeutsch mit Knubbeln”. Erkenntnis: Der Regiolekt im Rheinland (nicht das echte Platt!), ja, datt is von mein Ruhrdeutsch gaanich so weit wech.
Ein ganzer Tag Weiterbildung bei DER Koryphäe für Graphic Recording: Brandy Agerbeck. 😀
Und hierüber habe ich im Juni 2021 gebloggt
12 von 12: Juni 2021
Mein Samstag in zwölf Bildern. Jeden Monat am 12. findet das Fotoprojekt „12 von 12“ statt. Ursprünglich mal angestoßen von Chad Darnell.
Ja, mehr nicht. Habe ich schon erwähnt, dass ich mich diesen Monat müde und erschöpft gefühlt habe? 😉
Wenn du noch ein bisschen näher dran sein willst an dem, was bei mir so passiert, welche neuen Projekte ich starte oder welche Trainings aktuell sind, dann abonniere gerne hier meinen Newsletter: